Kein Glamour, nirgends

Endlich etwas tun!

Wie so viele andere, hat auch mich das Leid der Flüchtlinge, das doch eigentlich schon so lange währt, erst in den letzten zwei Monaten wirklich erreicht. Sie sind uns nahe gerückt, die Menschen auf der Flucht, ganz real und nicht zuletzt auch durch die erschütternden Bilder von tausendfachen Dramen, zu Wasser oder zu Lande. Wir sind alarmiert durch die Zustände in den Aufnahmelagern, durch die Angriffe von rechts. Und dann gibt es da diese anderen Bilder: berührende Szenen an Bahnhöfen oder in Notunterkünften, in denen den Flüchtlingen ein warmes Willkommen ausgesprochen wird.

Eine geradezu überwältigende Welle der Hilfsbereitschaft schwappt durch Deutschland. Auch bei mir war da plötzlich das Gefühl, endlich etwas tun, einen persönlichen Einsatz leisten zu müssen. Ich suchte online nach Hilfsorganisationen in meiner Stadt und schrieb einer Initiative, die seit Jahren Flüchtlingsfamilien hilft. Prompt kam die Rückmeldung: Aufgrund der vielen Anfragen biete man zwei Infoabende an, in denen Hilfsprojekte und Unterstützungsmöglichkeiten dargestellt würden.

Ein paar Tage später saß ich mit etwa dreißig anderen Interessenten in einem Raum. Wir erfuhren, dass in unserer Stadt der große Zustrom aus den Aufnahmelagern des Landes bisher noch nicht angekommen ist. Rund 330 Flüchtlinge leben hier, viele von ihnen schon seit Jahren. Der größte Teil, vor allem alleinstehende Männer, in einem Gebäude, dessen baulicher und sanitärer Zustand offenbar eine Schande ist, erst recht für unseren Landkreis im Speckgürtel von Frankfurt. Und doch: Kleidung, Möbel, die nötigen Dinge des Alltags sind vorhanden. Die Flüchtlingsfamilien sind größtenteils in Wohnungen untergebracht, manche in einer ehemaligen Grundschule. Auch sie sind materiell weitestgehend versorgt. Manche warten schon seit Jahren auf ihren Asylbescheid. Die Kinder gehen zur Schule, sie besuchen den Hort.

Große Gesten? Fehlanzeige

Was diese Menschen brauchen, sind keine mit großer Geste überreichten Wasserflaschen, keine Teddybären oder Kleiderpakete. Als das an diesem Abend deutlich wird, ist einen kurzen Augenblick so etwas wie Enttäuschung im Raum zu spüren, ein kleines Zögern. Es ist klar, dass hier Verbindlichkeit und Kontinuität im Vordergrund stehen, stehen müssen. Dem Engagement, das die anwesenden ehrenamtlichen Helfer ebenso wie der Sozialarbeiter, der von seiner Arbeit berichtet, schon seit Jahren leisten, ist ohne jeden Glamour und doch unendlich wichtig: Hilfe bei Behördengängen, bei der Wohnungssuche. Hausaufgabenbetreuung für die Kinder oder Unterstützung beim Deutschunterricht für die Eltern, die Integrationskurse besuchen. So großartig und herzerwärmend die spontane Solidarität mit den Flüchtlingen auf den Bahnhöfen ist – das hier, dieses mühsame, manchmal langweilige, jahrelange Helfen ist es, das wir als Gesellschaft brauchen. Deshalb ist es toll, dass am Ende der Veranstaltung einige gut gefüllte Listen mit Adressen von interessierten neuen Helfern auf den Tischen lagen. Wenn wir „Refugees welcome“ skandieren, müssen wir Hausaufgabenbetreuung und Wohnungssuche mitdenken, und angesichts der Massen, die auf dem Weg sind, sind das keine leichte Aufgaben. Der faktische Druck lässt uns gar keine andere Wahl, längst ist klar, dass der Zustrom in absehbarer Zeit nicht enden wird. Wir beginnen gerade erst zu ahnen, welche umwälzenden Veränderungen das für unsere Gesellschaft bedeutet – und welche Chancen darin stecken können.

Wie der Abend für mich ausgegangen ist? Ein paar Minuten überlegte ich schaudernd, ob ich meine Abneigung gegenüber Behörden über Bord werfen und mich in das Einmaleins der Flüchtlingsbürokratie einarbeiten solle. Oder einen Nachmittag pro Woche verbindlich beim Deutschlernen helfen könnte. Schließlich wurde mir klar, dass es am sinnvollsten ist, etwas zu tun, was ich wirklich kann und was mir Freude macht, deshalb habe ich dem Verein meine ehrenamtliche Unterstützung bei seiner Öffentlichkeitsarbeit angeboten. Ich bin mit einem guten Gefühl nach Hause gegangen, auch ganz ohne Glamour.