Liebe unter erschwerten Bedingungen

Wenn „Für immer und ewig“ durch die Diagnose Krebs von vornherein nur eine sehr relative Perspektive ist, hilft nur die Flucht nach vorn. John Greens Jugendbuch Das Schicksal ist ein mieser Verräter, im amerikanischen Original vor ziemlich genau drei Jahren erschienen und 2014 auch erstaunlich gelungen von Josh Boone verfilmt, feiert die Hingabe an die Gegenwart.
„Der Grund, aus dem ich zur Selbsthilfegruppe ging, war derselbe, aus dem ich Krankenschwestern erlaubte, mich mit Medikamenten mit exotischen Namen zu vergiften: Ich wollte meine Eltern glücklich machen. Denn es gibt nur eins auf der Welt, das ätzender ist, als mit sechzehn an Krebs zu sterben, und das ist, ein Kind zu haben, das an Krebs stirbt.“ Seit sie 13 ist, lebt Hazel mit der Diagnose Krebs und weiß, dass ihr Leben viel zu kurz sein wird. Ausgerechnet in der nervigen Selbsthilfegruppe trifft sie auf Gus – gutaussehend, schlagfertig, einbeinig.
Was nun seinen Lauf nimmt, steht unter denkbar schlechten Vorzeichen: eine Liebe ohne Zukunft und mit reichlich Störfeuern von innen und außen. Hazel hat Hemmungen, Gus, der bereits eine krebskranke Freundin verloren hat, erneut diesem Leid auszusetzen. Sie selbst empfindet sich als „tickende Zeitbombe“, eine Zumutung für ihre Umwelt, weshalb sie Freundschaften möglichst aus dem Weg geht. Hazels größter Wunsch ist es, den geheimnisumwitterten Autor ihres Lieblingsbuchs zu treffen. Dieses Buch im Buch handelt ebenfalls von einem krebskranken Mädchen und ist auf gewisse Weise ein Spiegel, ohne dabei zu einer beliebigen postmodernen Spielerei zu werden. In einer spektakulären Aktion reisen sie und Gus tatsächlich nach Amsterdam und begegnen dort dem Autor, vor allem aber erleben sie eine Art geschenktes Zeitfenster des Glücks – einen kleinen Aufschub des Unvermeidlichen.
Brüchige Welt
Der englische Originaltitel des Buches lautet The Fault in Our Stars und spielt auf ein Zitat aus Shakespeares Julius Cäsar an: „Nicht durch die Schuld der Sterne, lieber Brutus, / Durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge“ Wie heißt es dazu treffend bei Green: „Leicht gesagt, wenn man ein römischer Edelmann ist (oder Shakespeare), aber es lässt sich jede Menge Schuld in unseren Sternen finden. Das Schicksal ist ein mieser Verräter.“
Den Amerikaner John Green, Jahrgang 1977, als „Jugendbuchautor“ zu bezeichnen, wird ihm kaum gerecht – er ist ein von unzähligen Jugendlichen und Erwachsenen verehrter Literaturstar, über dreieinhalb Millionen Menschen folgen ihm derzeit auf Twitter, auch sein Blog mit zahlreichen Videos und Infos hat eine riesige Leserschar. „Die meisten Erwachsenen arrangieren sich irgendwann mit den Unzulänglichkeiten des Lebens, mit Ungerechtigkeit, Verlust, Betrug“, sagte Green 2010 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. „Sie regen sich nicht mehr so auf. Ich empfinde die Welt immer noch als sehr brüchig.“ Das erklärt noch nicht seinen großen Erfolg – dem sicherlich auch schlichtweg sein fantastisches Talent als Autor zugrunde liegt – mag aber doch die Grundstimmung sein, aus der heraus seine Bücher gerade auch junge Menschen ansprechen.
Krebs ist ein trauriges Thema, Krebs bei Kindern oder Jugendlichen erst recht. Auch Das Schicksal ist ein mieser Verräter wird wohl die meisten Leserinnen und Leser zu Tränen rühren. Wie es John Green gelingt, dass wir dennoch auch lauthals lachen können, dass wir wütend werden, dann leise kichern, das Leben feiern und dann schon wieder das Schicksal verfluchen, das ist geradezu überwältigend. Der Wortwitz seiner jungen Helden, die feine Beobachtungsgabe, mit der sie die hilflosen Reaktionen ihrer Umwelt wahrnehmen und kommentieren – all das lässt uns teilhaben an ihrer Geschichte, die natürlich auch eine Krebsgeschichte ist, vor allem aber eins: eine wundervolle Liebesgeschichte, die totale Hingabe an die Gegenwart.
John Green: Das Schicksal ist ein mieser Verräter.
Carl Hanser Verlag 2012, 285 Seiten, Hardcover, € 16,90