Die K-Frage
Meine Familie hat neue Mitbewohner: Leo und Lissy, zwei kleine Kätzchen. Ihrem Einzug vorangegangen war eine monate- ach was, jahrelange Charme-Offensive meiner Töchter, die sich sehnlichst ein Haustier wünschten. Ich selbst bin auf dem Land mit Katzen und einem Hund aufgewachsen und habe viele wunderbare Erinnerungen daran, deshalb konnte ich sie gut verstehen. Da in meinen Augen außer Katzen und Hunden nichts als ernstzunehmendes Haustier infrage kommt, wägten wir also längere Zeit die Argumente für oder gegen Hunde oder Katzen ab.
Zwischen Hundeschule und therapeutischem Schwimmen
Meine Hündin war ein wundervoller, allerdings eher rudimentär erzogener Mischling mit ausgeprägtem Jagdinstinkt, der sich nicht selten während des Spaziergangs über die Felder selbständig machte, wenn ihm ein Hase ins Sichtfeld hoppelte und dann manchmal Stunden später – immerhin mit schlechtem Gewissen! – nach Hause kam. In der Stadt, in der ich heute lebe, treffen sich die Hundehalterinnen morgens um acht in Barbour-Jacken und Aigle-Gummistiefeln mit ihren Golden Retrievern oder anderen Mode-Rassehunden im Park. Alle gehen zur Hundeschule. Ich habe Damen über das Idealgewicht ihrer Rüden plaudern hören. Vor Kurzem erfuhr ich sogar von einer Hunde-Physiotherapeutin, die therapeutisches Schwimmen für Hunde mit kaputten Hüften anbietet. Es gibt da interessante Parallelen zur voll durchgeplanten und professionalisierten Kinderhaltung und -erziehung in meinem bildungsbürglich-ehrgeizigen Umfeld, das nur am Rande.
Die Waagschale neigte sich also zugunsten der Katze. Anders als viele Menschen, die entweder Hunde oder aber Katzen mögen, bin ich in dieser Frage nicht so festgelegt. Ich schätze beide gleichermaßen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Der Vorteil von Katzen bezüglich der oben skizzierten Disziplinierungs-Problematik liegt auf der Hand: Von ihnen erwartet ohnehin niemand ernsthaft, dass sie sich unterordnen. Es gibt ein paar Basis-Abmachungen, etwa, nicht auf den Tisch zu springen – zumindest solange sich ihre Menschen in der Nähe befinden. Ansonsten dürfen Katzen auch heute noch mehr oder weniger tun und lassen, was sie wollen, wenn auch häufig unter aufmerksamerer Beobachtung, als ich das aus meiner Kindheit kenne. Es gab damals schließlich weder Katzen-Blogs oder -Foren noch Katzen-Videos auf YouTube.
Raumgreifende Kratzbäume und Lernspielzeug
In dem Buch, das ich meinen Töchtern zur Einstimmung besorgt hatte, las ich von den Vorteilen, die es hat, gleich zwei Katzen anzuschaffen, weil sie auf diese Weise immer einen Artgenossen und Spielgefährten bei sich haben. Das hat uns sofort überzeugt. Zur Überbrückung der Wartezeit – schließlich mussten die Kätzchen erst ein vertretbares Alter erreichen, in dem wir sie entwicklungspsychologisch korrekt zu uns nehmen konnten – verbrachtem wir einen kompletten Samstagnachmittag in der örtlichen Filiale einer großen Kette für Heimtiernahrung und -bedarf. Staunend streiften wir durch die Gänge und verschafften uns einen Überblick über das Angebot an raumgreifenden Kratzbaum-Installationen, elektronischem Lernspielzeug und Katzentoiletten in verschiedensten Formen und Größen. Am Ende kauften wir einen kleinen raschelnden Pop-up-Tunnel, von dem wir uns gut vorstellen konnten, dass er unseren Katzen Spaß machen würde.
Auch in Sachen Tiernahrung hat sich eine Menge getan. Gefühlte tausend Sorten Katzenfutter stehen zur Verfügung, zu den stationären Angeboten im Supermarkt oder der Drogerie kommt eine schier unüberschaubare Menge online vertriebener Produkte, darunter Premium-Katzenfutter aus der Bauernhof-Manufaktur für 8 Euro pro 400 Gramm-Dose. Vor zwanzig Jahren hatten wir irgendein No-Name-Futter gekauft, doch jetzt erschien es mir angesichts meines sonstigen Konsumverhaltens nur konsequent, für meine Katzen Bio-Futter zu kaufen. Was sich als gar nicht so einfach herausstellte, denn es gibt zwar verschiedene Anbieter, doch darunter muss man erst mal diejenigen finden, die ernährungsphysiologisch sinnvolle Nahrung anbieten. Ich gestehe, dass ich mehrere Stunden mit entsprechenden Recherchen verbracht habe. Stirnrunzelnd habe ich Rohprotein-Anteile und Feuchtigkeitsgehalte verglichen, Herkunftsangaben überprüft und den Begriff „Rohasche“ gegoogelt – die Zeiten, in denen man sich einfach so ein Haustier zulegte, sind wohl auch bei mir vorbei.
Eroberung im Sturm
Und dann war es endlich soweit, wir konnten die beiden neuen Familienmitglieder zu uns holen. Natürlich haben sie unsere Herzen im Sturm erobert. Es ist ja keine Neuigkeit, dass kleine Katzen niedlich sind, aber insbesondere das innige Verhältnis zwischen Bruder und Schwester, die zusammen im Körbchen schlafen, sich gegenseitig putzen, aneinander kuscheln oder auch wilde Raufereien veranstalten, ist eine tägliche Freude und versetzt uns immer wieder aufs Neue in Entzücken. Der Rascheltunnel war übrigens eine gute Investition, er hat wirklich einen großen Unterhaltungswert. Am allermeisten Spaß haben Lissy und Leo derzeit allerdings mit einem Korken, den wir an eine Schnur gebunden haben und vor ihrer Nase baumeln lassen – gut, dass wir das teure Profi-Spielzeug ignoriert haben!
Wenn ich am Schreibtisch sitze und die beiden Katzen auf dem Sessel daneben schlafen, geht von ihnen eine Wärme aus, die meine Seele berührt und alle Fragen zur optimalen Futterbeschaffenheit oder zum besten Impf-Zeitpunkt verblassen lässt. Dann frage ich mich, warum ich überhaupt so lange gewartet habe, bis ich mir endlich wieder Tiere ins Haus geholt habe – und warum wir Menschen eigentlich dazu neigen, manche Dinge ganz unnötig kompliziert zu machen.