Es ist der 13. Dezember 2016. Ich sitze im Wohnzimmer und schreibe Weihnachtskarten. Drei Kerzen brennen am Adventskranz, die Katzen liegen faul auf dem Sofa herum. Ich wünsche Freunden und Familie auf den Karten ein frohes Fest, entspannte Ferientage und ein glückliches Jahr 2017.
Einbruch der Außenwelt
Ich habe einige Stunden gar nicht nach meinem Handy geschaut. Als ich es dann doch tue, knallen mir die Meldungen aus Aleppo um die Ohren, wo gerade zehntausende Menschen festsitzen und auf eine Waffenruhe warten, auf einen Korridor für humanitäre Hilfe. Ich sehe Videobotschaften von Menschen aus der eingekesselten Stadt, die letzte Lebenszeichen an die Welt senden, voller Verzweiflung. Ein bodenloses Elend und eine schändliches Versagen der sogenannten Weltgemeinschaft.
„Was ziehen Sie zu Weihnachten an, Frau Krautkrämer?“ fragt mich eine Werbemail im Posteingang. „Wir liefern rechtzeitig zum Fest!“, versichern mir seit Tagen andere.
Das Ganze erinnert mich an diese merkwürdigen Ferientage im vergangenen Sommer, als ich mit meiner Familie mit dem Fahrrad an der Donau unterwegs war. Mitte Juli ging es los, kurz vorher schon das Attentat in Nizza. Auf unserem Weg von Regensburg nach Wien traf nahezu täglich eine bedrückende Nachricht nach der anderen ein – die Angriffe und Anschläge in Würzburg, Ansbach und München, die Geiselnahme in einer Kirche bei Rouen. Bei jedem „Pling“ meines Handys zuckte ich zusammen und war unglaublich erleichtert, wenn es sich bei der Spiegel-Eilmeldung bloß um irgendeine lächerliche Fußball-Nachricht handelte.
Emotionale Zerreißprobe
Die wunderschöne Flusslandschaft, das Zusammensein mit meinen Lieben, das gute Essen – auch damals fragte ich mich, wie ich mich daran überhaupt erfreuen kann. Ich habe mir dann gesagt, dass es vermutlich gerade angesichts des ganzen Elends auf der Welt wichtig ist, die eigenen Kraftquellen gut im Blick zu haben und immer wieder aufzufüllen.
Und nun diese Adventszeit. Es ist ja nicht so, als ob es zum ersten Mal parallel zu unseren ausschweifenden Festlichkeiten zum Jahresende weltweit Not und Verzweiflung gäbe. Und doch geht es mir diesmal besonders an die Nieren – vielleicht, weil das Jahr 2016 an sozialen und politischen Tiefschlägen wahrlich traurige und eben auch zermürbende Schlagzeilen geschrieben hat.
Diese Parallelwelten von abzuarbeitenden Wunschzetteln und Einkaufslisten für die Feiertage auf der einen und den täglichen Horrormeldungen aus Aleppo und anderswo auf der anderen Seite sind eine emotionale Zerreißprobe. Es ist so beschämend. Natürlich können und sollen wir Möglichkeiten suchen, unsere Solidarität zu zeigen und Protest zu äußern. Wir können und sollten Hilfsorganisationen mit Spenden unterstützen, die versuchen, in all dem Elend die Not wenigstens punktuell zu lindern. Und uns bleibt, dort, wo wir gerade sind, Haltung zu zeigen.
Aber es schmerzt, wie wenig das alles ist. Wir müssen es aushalten, irgendwie.