Das Schloss Freudenberg in Wiesbaden ist ein außergewöhnlicher Flecken Erde. Ich liebe diesen Ort und die vielen künstlerischen Installationen und Stationen, die es im und um das Schloss herum im „Erfahrungsfeld der Sinne“ zu entdecken gibt. Vor Kurzem war ich endlich mal wieder dort. Nach dem Lockdown ist von Donnerstag bis Sonntag zumindest der weitläufige Schlosspark mit dem Waldkiosk wieder geöffnet, Letzterer sogar bis Mitternacht – ein zauberhafter Ort für laue Sommernächte im Freien.
Theater mit Abstand
Doch auch im Inneren des Schlosses gibt es eine neue Attraktion. Himmel oder Hölle? Das ist die Frage beim „Automatentheater“, das Anfang Juni Premiere hatte. Perfekt in Zeiten von Corona: Jeweils maximal vier Leute können eine Vorstellung ohne Probleme mit viel Abstand besuchen, der Ton kommt vom Band durch die selbst mitgebrachten und flink eingestöpselten Kopfhörer.
Zwölf kleine Bühnenbilder warten mit kurzen, zweiminütigen Stücken: Per Knopfdruck erscheint der kleine Prinz, Odysseus‘ Fahrt zu den Sirenen oder auch das Fußball-Wunder von Bern. Das Automatentheater versammelt Erhabenes ebenso wie Triviales. Es präsentiert antike Stoffe neben skurrilen Fundstücken und Motiven der Moderne – sogar das Triadische Ballett des Bauhaus-Künstlers Oskar Schlemmer dreht sich im farbigen Licht, untermalt von Versen von Christian Morgenstern.
Romantische Wurzeln
Die Entstehungsgeschichte des ungewöhnlichen Theaters reicht weit zurück: Seine ältesten Teile entstanden 1799 als Auftragswerk für E.T.A. Hoffmann (1776-1822), den großen Schriftsteller der Romantik. Konstrukteur war der ungarische Tüftler Wolfgang von Kempelen (1734-1804), Erfinder des sogenannten „Schachtürken“, des – nur vorgeblich – ersten Schachautomaten der Welt. Nach einer Station im Wiener Prater landete das Theater in den 1930er Jahren in Berlin und später in Paris. In den 1970er Jahren tauchten einzelne Teile auf einem Flohmarkt auf. Die jetzt auf dem Freudenberg zu bewundernde Form des Automatentheater hat der Künstler Werner Ries in dreijähriger Arbeit geschaffen.
Jede Besuchergruppe hat 50 Minuten Zeit, die vielen kleinen Darbietungen zu bewundern. Wie bei den Machern auf dem Freudenberg anders kaum denkbar, geht der Theateraufführung eine spielerisch-charmante, persönliche Begrüßung und Einführung voraus, die auf das besondere Spektakel einstimmt.
Die Vorstellungen auf dem Freudenberg sind noch bis Ende August immer donnerstags bis sonntags zwischen 16 und 24 Uhr, Karten gibt es hier online zum Preis von 25,- Euro.
Zur weiteren Einstimmung hier auch noch ein schöner Video-Beitag des Hessischen Rundfunks.