„Isch mach jetzt Bildum, ey!“

Eine der spannendsten Frauen, denen ich in letzter Zeit so begegnen durfte, ist sicherlich die Schauspielerin und Kabarettistin Idil Baydar. Ihre Kunstfigur, die Deutsch-Türkin Jilet Ayse, pöbelt auf YouTube gegen die deutschen Kartoffeln und erfüllt munter ein Klischee nach dem anderen – doch genau diese Klischees will ihre Schöpferin aufbrechen.

In schönstem Kanak Sprak, dem Jargon vor allem türkischstämmiger Einwandererkinder der zweiten oder dritten Generation („isch schwör – verstehss du wassisch mein?“), lässt Jilet ihren Gedanken freien Lauf: über das Zusammenleben von Deutschen und Türken, über Hartz IV, über die sinkenden Geburtenraten oder die verweichlichende Erziehung der Deutschen – ein fleischgewordenes Klischee. Das kommt nicht überall gut an und wird vor allem nicht von jedem verstanden, wie zahlreiche Online-Kommentare unter ihren Videos beweisen, wo sich AfD-Wähler darüber auslassen, dass sie „wegen sowas“ schließlich gegen Ausländer seien. Soviel steht fest: Jilet Ayse, von Idil Baydar selbst als „Integrationsalbtraum zum Anfassen“ bezeichnet, polarisiert.

Für das Monatsmagazin Info3 durfte ich die ehemalige Waldorfschülerin Idil treffen, in deren Biographie die Frage nach der kulturellen Identität einen zentralen Platz einnimmt. Es war ein spannendes Gespräch – nicht nur über bedrückende Themen wie salonfähigen Rassismus oder nach wie vor ausgrenzende Zuschreibungen gegenüber EinwanderInnen in Deutschland, sondern auch über quietschige Waldorf-Blockflöten und Eurythmiestunden (hier das Info3-Porträt).

Mitte September schließlich konnte ich Idil Baydar aka Jilet Ayse dann endlich auch einmal live auf der Bühne erleben. Mit ihrem neuen Programm „Ghettolektuell“ (hier ein Link zu Ausschnitten daraus) gastierte sie in der Frankfurter Batschkapp. „Ich hab euch Deutsche zwei Jahre lang angeschrien. Hat Spaß gemacht, bringt aber nichts!“, so ihre Erkenntnis. Jetzt setzt Jilet auf Bildung und Schulterschluss: Die Deutschtürken müssen den armen Kartoffeln zur Seite stehen, damit die blöde AfD nicht überhand nimmt! Ein Fest.