„Vätermonate“ – da geht noch was!
Am Ende der letzten Sommerferien war ich mit einer Freundin verabredet. Wir erzählten uns von unseren Ferienerlebnissen, sie war mit ihrer Familie auf Korsika zelten. „Ich habe da einen neuen Trend mitbekommen“, berichtete sie mir. „Der Zeltplatz war voll mit jungen Eltern, die die Elternzeit der Väter für einen mehrwöchigen Urlaub im Süden genutzt haben.“ Das überraschte mich nicht. Seit der Einführung der sogenannten „Vätermonate“ beobachte ich auch in meinem persönlichen Umfeld, dass fast alle Männer relativ bald nach der Geburt eines Kindes die Möglichkeit nutzen, zumindest zwei Monate Elternzeit zu nehmen – die Mütter sind in den meisten Fällen allerdings ebenfalls zu Hause. Die Väter nehmen sich für diese Zeit einiges vor: Klar, für das Baby da zu sein. Aber auch: endlich den Speicher aufräumen. Reisen, siehe oben. Eine andere Variante: ein Buch schreiben! Nicht wenige publizistisch tätige Männer verarbeiteten in den letzten Jahren ihre paar Wochen zu Hause auf diese Weise. Die Welle scheint allmählich wieder abzuebben, aber eine Zeit lang konnte man den Eindruck gewinnen, dass die wirklich krassen Abenteuer unserer Tage von Elternzeit-Männern zwischen Wickeltisch, Spülmaschine und Krabbelgruppe bestanden werden.
Nur zur Erinnerung: Diese „Vätermonate“, durch die sich der Bezug des Elterngeldes um zwei Monate verlängern kann, wurden als gesellschaftspolitisches Steuerungsinstrument eingeführt, das zu mehr Geschlechtergerechtigkeit und zur Überwindung traditioneller Rollenbilder führen sollte. Ein Anreiz für Väter, sich um ihre Kinder zu kümmern und die Mütter zu unterstützen, wenn diese nach einer Babypause wieder in den Job zurückkehren. Auch wenn ich den einzelnen Familien den ausgedehnten gemeinsamen Urlaub oder einfach etwas mehr Zeit miteinander gönne, missfällt mir doch, dass dafür Steuergelder eingesetzt werden – zumal die staatliche Förderung dann ausgerechnet diejenigen subventioniert, die finanziell ohnehin schon besser gestellt sind. Eltern in schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen werden sich eine solche mehrwöchige Auszeit nämlich kaum leisten können. Der einzige arbeitspolitisch wirksame, positive Effekt ist dann wohl der, dass es nun immerhin in den Betrieben normaler wird, dass auch Männer nicht rund um die Uhr an ihrem Arbeitsplatz verfügbar sind.
Gleichstellung sieht anders aus
2016 nahmen laut Statistischem Bundesamt bundesweit immerhin 35,7 Prozent der in Frage kommenden Väter Elternzeit, ein Zuwachs zum Vorjahr um fast 12 Prozent. Die durchschnittliche Dauer betrug bei ihnen 3,4 Monate, bei den Müttern 13,3 Monate. Das ist zumindest ein Anfang, um auf längere Sicht der unsäglichen Präsenzkultur am Arbeitsplatz einen Stachel ins Fleisch zu treiben. Vielleicht wird es eines Tages endlich völlig normal sein, dass Väter ebenso wie Mütter in Teilzeit arbeiten, dass sie zu Hause bleiben, wenn ihr Sohn krank ist, oder im Büro pünktlich Schluss machen, um ihre Tochter zum Sport zu bringen.
42 Prozent aller Männer ab 18 Jahren gaben 2015 an, dass sie eine gleichberechtigte Partnerschaft anstreben, in der beide Partner erwerbstätig sind und sich etwa gleich viel um Haushalt und Kinder kümmern, so die aktuelle Studie „Männer-Perspektiven“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Realität sieht anders aus. Teilzeit-Stellen und damit auch der Großteil der Fürsorgearbeit zu Hause sind nach wie vor Frauensache. 36 Prozent der Familien leben arbeitstechnisch einen Kompromiss, der viele Fragen offen lässt: Die sogenannte „teiltraditionelle Rollenteilung“ mit dem Mann als Hauptverdiener und der Frau, die sich um Haushalt und Kinder kümmert und „etwas dazuverdient“.
„Aus der Perspektive der Mehrheit der Männer erscheint eine Teilzeitbeschäftigung zwar theoretisch möglich, jedoch finanziell riskant und mit Makel verbunden“, heißt es lakonisch in der erwähnten Studie. „Die Mehrheit der Männer hat die Einstellung, dass in Unternehmen jene keine Karriere machen, die in Teilzeit sind oder den Wunsch nach Teilzeit äußern. Auch vermuten sie, dass bei Teilzeit Gehaltserhöhungen geringer ausfallen. So erfahren die meisten Männer ihre Vollzeiterwerbstätigkeit als ökonomisch-rationale Wahl und zugleich als Schicksal, unausweichlich und als Ausweis normalen (vollwertigen) Mannseins.“
Mütterliche Torhüterinnen
An dieser Schräglage haben auch die Frauen selbst ihren Anteil. Es ist traurig, wie selten es Paaren bisher gelingt, sich wirklich gleichberechtigt um Kinder und Arbeit zu kümmern. Natürlich gibt es strukturelle Hürden (mangelnde Flexibilität der Betriebe, Gender Pay Gap etc.), aber sicherlich auch viele Barrieren in den Köpfen. Wo sind sie denn, die Mütter, die von ihren Partnern klipp und klar einfordern, dass nicht nur die Erwerbstätigkeit, sondern auch die Familien- und Haushaltsarbeit fair verteilt wird? Zur Wahrheit gehört auch, dass viele nicht bereit sind, ihre familiäre Vorherrschaft mit den Vätern zu teilen und deren Beteiligung zwar einerseits erwarten, andererseits durch diktatorische Vorgaben, wie genau bestimmte Dinge mit den Kindern oder im Haushalt zu erledigen seien, erschweren – „Maternal Gatekeeping“ heißt dieses Verhalten in der Fachsprache.
Es bleibt also weiter viel zu tun, für alle Beteiligten. Die Elternzeit am Strand mag eine schöne Abwechslung vom Familienalltag sein, doch in Sachen Emanzipation und gleichberechtigter Partnerschaft bringt sie uns nicht wirklich weiter. Und so nett zwei Monate mit Papa zu Hause auch sein mögen, bleibt doch zu hoffen, dass sich in Zukunft immer mehr Männer auch über solche überschaubaren Zeitfenster hinaus im Alltag für ihre Kinder engagieren wollen und werden.